Into the Wild

Das Selbstexperiment

Pfiat di, Zivilisation!

Wir, Benny und Jens, haben den „Hardcore-Ausstieg“ gewagt und uns fünf Tage lang von der Gesellschaft abgekapselt. Die Unterkunft: Ein Bauwagen im Allgäu. Außen herum nichts als Wiesen und Felder. Für Benny als Stadtkind ein größeres Problem als für Jens. Das wurde schon bei der Vorbereitung des Experimentes klar:

„Zucchini gehen nicht, oder? Die kann man ja nicht in Deutschland anbauen.“

Wir beide gingen für den „Ausstieg“ sogar so weit, unsere Ernährung umzustellen. Es durften nur Lebensmittel eingekauft werden, die normalerweise auch selbst angebaut werden können. Denn nur wer sich selbst versorgt und autonom lebt, kann auch auf Dauer fernab der Gesellschaft überleben. Für uns bedeutete das: Fünf Tage lang nur Gemüse, Obst, Nüsse und Brot.

Wie Alisa und Lukas hatten auch wir keinen Zugang zu Internet und Smartphone. Wir verzichteten auf sämtliche technischen Geräte und hatten nicht mal ein Radio.

Das bedeutete auch, dass als Fortbewegungsmittel nur die „Fußmaschine“ zur Verfügung stand. Also: Gehen und Schleppen statt Fahren. So dauerte die Reise zum nächsten Dorf auch dementsprechend lange – unberührte Natur und idyllische Trampelpfade waren dafür inklusive.

 

 

 

„Tote Hose hier… Dann kann’s ja nicht mehr weit sein.“

Jens

Tag 1

Benny

Bei der An­­kunft war ich erst­­mal sehr ü­ber­­rascht, wie still und grün es dort war. Auch den Bau­wa­gen hat­te ich mir an­­ders vor­­ge­­stellt – ir­­gend­­wie grö­ßer. Mit dem Dop­­pel­­bett und un­­se­­ren Kof­­fern war die Un­ter­­kunft auch schon voll. Trotz­­dem ha­be ich mich sehr da­­rauf ge­­freut, die nächs­ten Ta­­ge nur zwi­schen Wie­­sen und Fel­dern zu ver­­brin­gen. Am A­bend ha­be ich erst­­mal den Son­­nen­­un­ter­­gang auf der Ter­ras­se ge­nos­sen. Da­zu war ich schon lan­ge nicht mehr ge­kom­men.

Benny am ersten Tag

Erwartungen

von Benny

Portrait von Jens am ersten Tag

Erwartungen

von Jens

Jens

Als ich am ers­ten Tag aus Ben­nys Au­to ge­­stie­­gen bin, war ich nur froh, wie­­der fes­­ten Bo­­den un­ter den Fü­­ßen zu ha­ben. Die Fahrt hat oh­ne Na­­vi­­ga­­tions­­sys­tem zwei Stun­­den län­ger ge­­dau­ert als vor­­ge­­se­hen. Jetzt wa­ren wir mit­ten im Grü­nen ge­lan­det. Au­ßer Gril­­len­­zir­­pen und Vo­­gel­­ge­­zwit­sch­er war nichts zu hö­ren. Ei­gent­lich per­fekt, um zu ent­span­nen. Ich freu­te mich, die nächs­ten Ta­ge mit mei­nen Hob­bys (Le­sen und Zeich­nen) ver­brin­gen zu dür­fen.

„Wenn ich nichts tue, schaffe ich auch nichts!“

Benny

Tag 2

Benny

Am zwei­ten Tag ha­be ich eine Menge geschafft. Ich war vor­mit­tags ei­nige Kilo­meter jog­gen, um die Um­ge­bung gleich ein bisschen zu er­kun­den. Den Nach­mit­tag habe ich dann auf der Terrasse ver­bracht und ein bisschen auf Jens‘ Gi­tar­re ge­spielt. Mei­ne Fä­hig­kei­ten wa­ren aller­dings ein we­nig ein­ge­ros­tet und ich muss­te wie­der fast bei null an­fangen. Ein paar Akkorde hat­te ich noch im Gedächtnis, aber viele muss­te ich nach­schla­gen. Insgesamt war es wohl mehr Geklimper als Musik. Ich habe mir gleich vor­ge­nom­men, auch in Eich­stätt wie­der mehr Gitarre zu spie­len.

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Jens

Schon am zwei­ten Tag ha­be ich ge­merkt, wie dringend ich eine Pau­se gebraucht ha­be. Zu den gan­zen Dingen, die ich mir ei­gent­lich vor­ge­nom­men hat­te, bin ich gar nicht erst ge­kom­men. Die drei Bän­de von „Lord Of The Rings“ ha­be ich noch nicht ein­mal aus­ge­packt und die Gitarre wurde bis jetzt auch nur von Benny genutzt. Meine Ak­ti­vi­tä­ten des Ta­ges ha­ben sich da­rauf be­schränkt, mit den fünf Kat­zen des na­hen Bauern­hofs zu spie­len oder zu zeich­nen. Die Zeit, die Smart­phone und Tablet normaler­weise rau­ben, ha­be ich da­rauf ver­wen­det, tie­fen­ent­spannt he­rum­zu­lie­gen.

„Krass, wie laut Autos eigentlich sind. Das merkt man wirklich erst, wenn man ein paar Tage Ruhe hat.“

Jens

Tag 3

Benny

Nach drei Ta­­gen hat­ten wir ei­ne Du­­sche bit­­ter nö­tig. Wir sind dem Weg zum Ba­­de­­see ge­­folgt, den ich am Vor­­tag zu­fäl­lig beim Jog­­gen ent­­deckt hat­te. Am See war ziem­lich viel los, was mir a­ber gut ge­­fal­­len hat. End­lich wa­ren wie­der mal Men­schen in Sicht. Durch den lan­gen Weg hat­te ich auch das Ge­fühl, ei­nen gro­ßen Teil des Ta­ges sinn­voll ge­nutzt zu ha­ben. Den A­bend ha­­ben wir dann auf der Ter­­ras­­se aus­klin­gen las­­sen. Statt ei­ne Play­list auf dem Smart­phone lau­fen zu las­sen, ha­be ich auf der Gi­tar­re ge­spielt. Mein Han­­dy hat mir zu die­­sem Zeit­­punkt schon gar nicht mehr ge­­fehlt.

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Jens

Ich woll­te ein­fach nur rum­liegen und ent­span­nen, a­ber der Tag ist für mich e­her stres­sig ver­lau­fen. Ir­gend­wann war ich ein­fach nur noch ge­nervt vom e­wigen Lau­fen in der Son­ne. Ich hat­te das Ge­fühl, mei­ne Zeit zu ver­schwen­den, ob­wohl ich ja ei­gent­lich nichts zu tun hat­te. Am Ba­de­see ist es mir dann viel zu voll ge­we­sen. Je­des vor­­bei­fah­­ren­­de Au­to ist mir so laut wie ein star­ten­des Flug­zeug vor­ge­kom­men. Der Rück­­weg führ­te dann durch ein Hoch­moor. Dort ist mir be­son­ders auf­­ge­­fal­­len, wie sehr ich die Stil­le der Na­tur dem Lärm der Stadt vor­zie­he. Der A­bend auf der Ter­­ras­­se mit Gi­tar­ren­mu­sik war dann a­ber ein schö­­ner Aus­gleich.

„Mit einem Handy hätte ich schon vorher in den Wetterbericht geschaut…“

Benny

Tag 4

Benny

Der Tag war mit Gi­tar­re spie­len und Le­sen ei­gent­lich ganz gut gefüllt. Zum Abend­es­sen soll­te es Stock­brot geben, lei­der hat das Wet­ter aber nicht so ganz mit­ge­macht. Ich war ziem­lich stolz, als wir das Feuer dann –  nach ein paar Stun­den ver­zwei­fel­ter Versuche – entfachen konnten. Aller­dings habe ich im Re­gen dann keine Ge­duld mehr ge­habt, den gan­zen Teig zu backen. Deshalb haben wir den Groß­teil dann auch roh geges­sen, um nicht mit leerem Magen ins Bett zu müs­sen. Sich selbst zu versorgen ist doch nicht ganz so einfach wie gedacht.

Das Feuer hat Jens mit seinen Wünschen und Träumen angezündet.

Bevor das Stockbrot im Feuer war, regnete es schon wie aus Eimern.

Nach unzähligen Versuchen, das Feuer mit Stroh und Gras zu entzünden, hatte Jens dann doch Erfolg.

Das Gewitter machte den beiden einen Strich durch die Rechnung. Der Großteil des Stockbrotes war nicht gebacken, sondern nass.

Jens

Tags­ü­ber ist ei­­gent­­lich recht we­­nig pas­siert, da­­für am A­bend um­­so mehr. Sehr viel län­ger hät­­te ich in der Wild­­nis wohl nicht ü­ber­­lebt: Erst ha­­be ich mir beim Feu­er­­holz sam­­meln in die Hand ge­­schnit­­ten, dann das La­­ger­­feu­er e­wig nicht an­­be­­kom­­men. Ich hät­te nicht ge­dacht, dass das mit dem Stock­brot ü­ber­haupt noch et­was wird. Ir­­gend­wann ha­be ich die Feu­er­stel­le dann aus Ver­­zweif­­lung und Un­ge­duld nur noch an­­ge­­schrieen. Als wir es dann a­ber end­lich ge­schafft hat­ten, war das Ge­fühl gut. Der Ge­­dan­­ke der bal­di­gen Heim­fahrt hat a­ber trotz­­dem für ei­nen schlech­­ten Schlaf ge­­sorgt.

„I mog ned hoam!“

Jens

Tag 5

Benny

Am letz­­ten Tag sind wir di­­rekt nach dem Früh­­stück zu­­rück nach Eich­­stätt ge­­fah­­ren. Da­heim ha­­be ich dann gleich mein Han­dy an­­ge­macht und hat­­te al­lei­­ne in Whats­­App mehr als 600 Nach­­rich­­ten! Ich war er­staunt, wie­vie­le Nach­rich­ten ich nor­mal­er­wei­se in fünf Ta­gen le­se und be­­ant­­wor­­te. Das Han­dy ha­be ich dann wie­­der weg­ge­­legt – die Ta­­ge der Er­­ho­­lung wol­l­te ich mir nicht gleich wie­­der ka­­putt­ma­­chen.

Portrait von Benny am letzten Tag

Fazit

von Benny

Portrait von Jens am letzten Tag

Fazit

von Jens

Jens

Den letz­ten Tag ha­­be ich ge­­nutzt, um noch ein letz­­tes Mal aus­­zu­­schla­­fen, be­­vor es zu­­rück in den stres­­­si­gen All­­tag ging. Ich hat­­te zu­vor nicht ge­­dacht, dass mir ei­ne Aus­­zeit so gut­tun könn­­te. Zu­­rück in Eich­­stätt ha­­be ich den ro­­ten Bau­­wa­­gen im All­­gäu auch gleich ver­­misst. Ob­­wohl hier ja auch nie be­­son­­ders viel los ist, kam es mir so viel lau­­ter vor. Und Whats­App? Die App ha­be ich gleich nach mei­ner Aus­zeit ge­löscht – und bis jetzt nicht wie­der in­stal­liert.

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