Mehr als nur Bilder

Verreisen ohne die eigene Wohnung zu verlassen? Dank Virtual Reality könnte das bald zur Normalität werden.

 

Das Ge­räusch von Schlit­ten­ku­fen, die sich ih­ren Weg durch den Schnee bah­nen, nä­hert sich. Oliver Veres (21) dreht sich nach links. Plötz­lich zieht eine Hor­de Schlit­ten­hun­de laut bel­lend an ihm vor­bei. Ehe sein Blick ih­nen fol­gen kann, ver­schwin­den sie mit dem Schlit­ten in Rich­tung Son­nen­un­ter­gang.

Auf ein­mal wird al­les schwarz vor seinen Au­gen. Die schnee­be­deck­ten Bäu­me, die un­end­liche Schnee­land­schaft und der orange leuch­ten­de Son­nen­un­ter­gang ver­schwin­den. Doch bei Olivers nächs­tem Au­gen­auf­schlag er­scheint wie­der die Land­schaft Nord­schwe­dens vor ihm. Nur die­ses Mal steht er auf dem Schlit­ten. Vor ihm ren­nen die Hus­kys. “Krass“, ent­fährt es dem jung­en Stu­den­ten. Gleich­mä­ßig be­we­gen sich die weiß-schwar­zen Hun­de fort. Ihr lau­ter Atem ist zu hö­ren und ihr Fell be­wegt sich im Wind. Oliver spürt nicht ein­mal ei­ne leich­te Bri­se auf sei­ner Haut. Er dreht sich um die ei­ge­ne Ach­se. Über­all sieht er die wei­te Land­schaft, Schnee, Eis und Hun­de. Aber ob­wohl er nur ein blau­es T-Shirt trägt, friert er nicht. Er hört die Hun­de, er sieht die Hun­de – doch würde der junge Mann jetzt sei­ne Hand aus­strecken, wür­de er nicht in das wei­che Fell grei­fen. Sei­ne Hand wür­de nur die kal­te Ta­pe­te be­rüh­ren.

Denn Oliver steht gar nicht in Schwe­den auf ei­nem Schlit­ten. Er ist nicht ein­mal wirk­lich au­ßer­halb Deutsch­lands. Oliver steht im sechs­ten Stock ei­nes Ber­lin­er Bü­ro­ge­bäu­des. Dort be­fin­det sich die Virtual Travel Lounge. Er trägt eine VR-Bril­le und starrt ge­spannt die Wand an. Er macht ei­ne vir­tu­el­le Rei­se mit einem 360-Grad-Vi­deo und Bil­dern in Schnee und Eis. Und muss­te da­für nur ei­ne hal­be Stun­de mit der S-Bahn fah­ren.

Vor 20 Jahren war ei­ne Rei­se mit ei­ner Virtual-Reality-Bril­le noch Utopie und kaum um­setz­bar. Den­noch gibt es schon länger ähn­liche Geräte. Der Traum von vir­tuel­len Wel­ten und Rei­sen ist also kein Phä­no­men der letz­ten Jahre.

Virtual Reality hat ihren Preis

US Dollar (1986)

Waren die Kos­ten für den er­sten Da­­ten­­hand­­schuh für Vir­tu­al Re­al­ity. Er war ei­­gen­­tlich für As­­tro­­nau­­ten der NASA ent­­wick­elt wor­­den.

DM (1994)

So­viel muss­te man für den For­te VFX1 zahlen. Der er­ste Vir­tu­al-Re­al­ity-Helm schei­­ter­­te an der ge­ring­en Auf­lö­sung. Auch der Preis war den Ver­brau­chern zu hoch: er kos­tete so­ viel wie ein hoch­wer­ti­ger Com­pu­ter.

US Dollar (1995)

Musste man für den „Vir­tu­al Boy“ von Nin­­ten­­do hinlegen. Er soll­­te Com­­pu­­ter­­spie­­len­­de von Vir­tu­al Re­al­ity über­­zeu­­gen. Der Bild­­schirm ver­­ur­­sach­­te aber star­­ke Kopf­­schmer­­zen und die Bil­­der ver­­wack­el­­ten bei der klein­s­ten Be­­we­­gung.

Euro (2016)

Kos­­tet die „Oc­ulus Rift“, die er­ste VR-Bril­le für den Nor­mal­­ver­­brau­­cher. Bei Ver­kaufs­start An­fang 2016 war der An­sturm so groß, dass die Lie­fer­zei­ten bis zu sechs Mo­na­te dauerten. Der­zeit sind es noch immer etwa zwei Mo­­na­­te.

Post from RICOH THETA. – Spherical Image – RICOH THETA

Auch an­de­re Un­ter­neh­men ha­ben den an­roll­en­den Hype um die VR-Bril­len er­kannt: Sam­sung, HTC, So­ny und Co. brachten jeweils ei­ge­ne Mo­del­le für den Nor­mal­ver­brau­cher auf den Markt. Am ein­fachs­ten mach­te es sich aber Google: Der Kon­zern ent­wick­el­te die so­ge­nann­te „Card­board“. Sie be­steht nur aus ei­nem ge­fal­te­ten Kar­ton und zwei Lin­sen. Und weil das ziem­lich ein­fach klingt, ha­ben wir un­se­re Bas­tel­sachen ge­schnappt und so et­was Ähn­liches selbst aus­pro­biert.

Was Ihr da­für braucht? Ei­ne Sche­re, Kle­ber, ei­nen Piz­za­kar­ton, zwei Linsen (kann man ein­fach mit den nö­ti­gen Klett­­ver­­schlüs­­sen im In­ter­net be­stel­len) und die An­lei­tung. Und damit Euch die fer­tige Bril­le dann auch et­was bringt: Ein Smart­phone.

Klickt einfach auf die Bildergalerie, um die Anleitung zu sehen:

Da die Lin­sen und die da­zu­ge­hö­ri­gen Klett­ver­schlü­sse für nur etwa fünf Eu­ro im In­ter­net be­stell­bar sind, kos­tet Eure selbst­ge­bas­tel­te Bril­le dann auch nur ei­nen Bruch­teil des­sen, was ei­ne VR-­Bril­le nor­mal­er­wei­se kos­tet.

Jetzt habt Ihr al­so Eu­re erste ei­ge­ne VR-Bri­lle gebastelt. Wie wäre es gleich mit einer Ka­nu­fahrt auf der Alt­mühl? Brille auf­setz­en und los geht’s!

Virtual Reality: Vorteile

von Carsten Fischer

 

 

Virtual Reality: Nachteile

von Heiko Hecht

Car­sten Fischer ist Ge­schäfts­füh­rer der Virtual Travel Lounge „VTL360“ in Ber­lin. Dort wer­den Rei­sen mit den VR-Bril­len pro­gram­miert und an Rei­se­bü­ros ver­kauft, da­mit die­se ih­re „ech­ten“ Rei­sen bes­ser an­bie­ten kön­nen.

Hei­ko Hecht ist Pro­fes­sor an der Jo­­han­­nes-­Gu­ten­­berg-­Uni­­ver­­si­­tät in Mainz und lei­tet dort die Ab­­tei­­lung All­­ge­­mei­­ne Ex­­pe­­ri­­men­­tel­­le Psy­­cho­­lo­gie. Seit den 1990er Jah­ren forscht er zu Vir­tu­al Re­a­li­ty und de­r­en Aus­­wir­kung­en auf die Psy­che.

Alex Arndt

Selina Clases

Eva Kunzmann

Isabella Wittmann

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