im Namen der Natur

Bauernopfer: Miesbachs Wasser

Bauern im Landkreis Miesbach wehren sich gegen die Umsetzung eines Gesetzes, das eigentlich nur das Wasser schützen soll, aber ihre Existenzen bedroht.

Bauern im Landkreis Miesbach wehren sich gegen die Umsetzung eines Gesetzes, das eigentlich nur das Wasser schützen soll, aber ihre Existenzen bedroht.


von Michael Eham, Nicolas Riedmiller und Jana Rudolf

 
Das Biogut Wallenburg im oberbayerischen Miesbach lädt zum Tag der offenen Tür ein. Der Himmel über den grünen Hügellandschaften leuchtet blau-weiß. Doch der frühlingshafte Schein trügt: Norbert Kerkel vom Verein „Unser Wasser e.V.“ und Landwirt Alois Fuchs machen ihrem Unmut Luft. Es geht ums Wasser   und für die Landwirte geht es um ihre Existenzen. Die beiden haben einen Stand aufgebaut, an dem sie die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Miesbach über ihre Wut und Ängste informieren. Inmitten der Vereinsmitglieder findet man hinter dem Informationsstand  von „Unser Wasser“ e.V. die Frau, die im Namen der Bevölkerung spricht: Bürgermeisterin Ingrid Pongratz. Am Tag der offenen Tür des Bioguts Wallenburg steht sie auf der Seite derjenigen, die sich gegen die geplante Ausweitung des Wasserschutzgebietes im Landkreis Miesbach am meisten wehren   der Landwirte.

Das Wasserschutzgebiet, in dem sich der Bauernhof von Alois Fuchs befindet, soll neu ausgewiesen werden. Die Folgen für die 25 betroffenen Landwirte wären fatal. Das Bild von grasenden Kühen auf der Weide und der charakteristische Landgeruch wären Geschichte. Neubauten würden ellenlange Genehmigungsverfahren mit sich bringen.

„Das bestehende Schutzgebiet von 1964 bietet den notwendigen Schutz nicht vollständig und ist nicht mehr regelkonform“, erklären die Stadtwerke München. Deshalb müsse die Neuausweisung her. Das Bayerische Wassergesetz schreibt drei Schutzzonen vor. Das Problem im Wasserschutzgebiet Reisach-Gotzing-Thalham ist die fehlende dritte Schutzzone. Im Jahr 1964 wurde nämlich keine Zone III festgesetzt. „Zwischenzeitlich haben sich neuere Erkenntnisse bezüglich der Fließwege und Fließgeschwindigkeiten ergeben“, sagt die stellvertretende Pressesprecherin des bayerischen Umweltministeriums Christina Center.

Veränderte Schutzzonen

Quelle links: Landkreis Miesbach; Quelle rechts: Landkreis Miesbach (Vianovis)
 
Für das Wasserschutzgebiet im Mangfalltal bedeutet das: Alle drei Zonen sollen neu ausgewiesen werden. Die Schutzzone I soll sich direkt um die Wassergewinnungsanlagen herum befinden, um die Anlagen zu schützen. Die Grundstücke hier gehören alle den Stadtwerken München. Die zweite Zone begrenzt die sogenannte 50-Tage-Linie. Von dort braucht ein Regentropfen 50 Tage, um ins Grundwasser zu sickern und bis zur Wassergewinnungsanlage zu fließen. „Dank der Filterwirkung des Bodens kommt nur bestes Trinkwasser in der Fassungsanlage an“, sagen die Stadtwerke. Diese Zone gliedert sich in IIa und IIb. Für IIa gelten extrem strenge Auflagen für die Landwirtschaft, da diese Zone im Tal liegt und nur durch eine dünne Gesteinsschicht vom Grundwasser getrennt wird. „Im Teil IIb ist Landwirtschaft problemlos möglich“, so die Stadtwerke.  Die Zone III decke zukünftig den weiteren Einzugsbereich ab. Auf der interaktiven Karte seht ihr die unterschiedlichen Orte abgebildet.

Weil ein Teil von Fuchs Weiden in der Schutzzone IIa liegt, wäre ihm die Weideviehhaltung dort verboten. Ein Viertel seiner Felder würde für ihn somit wertlos, weil er seinen Hof, wie die meisten der 25 betroffenen Landwirte auch, biologisch bewirtschaftet. Er muss seine 39 Kühe also auf der Weide grasen lassen. So wären die Bio-Bauern besonders hart getroffen. Fuchs hat Angst um die Existenz seiner Familie. „Ursprünglich wollte mein Sohn eine Lehre zum Landwirt absolvieren. Wir haben ihm aber davon abgeraten, weil wir einfach nicht wissen, was die Zukunft bringt.“ Sein Sohn macht jetzt eine Ausbildung zum Landmaschinenmechatroniker.

Die Stadt München bezieht 80 Prozent ihres Wassers aus dem Landkreis Miesbach. Seit Jahren genießt die Landeshauptstadt eine hervorragende Wasserqualität. Untersuchungen des Trinkwassers, wie die Münchner Trinkwasser-Analyse vom Januar 2018, ergeben regelmäßig, dass alle Anforderungen der Trinkwasserverordnung erfüllt werden. Die Tests suchen nach Schadstoffen, wie zum Beispiel die in der Gülle enthaltenen Nitrate und Stickstoffe. Meistens sind davon so wenige im Wasser, dass sie nicht einmal nachgewiesen werden können.
 


Muss sich Kuh Shakira bald eine neue Toilette suchen? Schaut euch hier den EINSTEINS TV-Beitrag zum Streit über das Wasserschutzgebiet Miesbach an.

 


 

Auch weil die Wasserqualität so hoch ist, sieht sich Fuchs von den Stadtwerken und dem Landkreis Miesbach im Stich gelassen. „Man könnte das humaner gegenüber den Betroffenen betreiben“, kritisiert er die Verantwortlichen. Um seiner Meinung eine Stimme zu verleihen, ist Fuchs Mitglied im Vorstand des Vereins Unser Wasser e.V., der sich gegen die Neuausweisung einsetzt. Um ihre Stimme lauter werden zu lassen, sind Aktionen essentiell – wie der Informationsstand am Tag der offenen Tür auf dem Biogut Wallenburg. „Der Großteil der Besucher hat hier zum ersten Mal überhaupt von der Problematik erfahren“, sagt Vereinsgründer Norbert Kerkel am Tag der offenen Tür. Viele würden mit dem Wasserschutz in erster Linie etwas Positives assoziieren, so Kerkel. Dass die geplante Neuausweisung jedoch Existenzen zerstören kann, sei den wenigsten bewusst. Dabei gäbe es laut Kerkel nicht einmal eine Rechtfertigung für die größeren Schutzzonen: „Selbst nach Aussagen der Stadtwerke haben wir hier in Miesbach die reinste Wasserqualität, die es gibt. Diesbezüglich kann sich nichts mehr verbessern, warum also sollte das Wasserschutzgebiet nun ausgeweitet werden, wo wir doch so drastische Nachteile davon hätten?“

Für die Umsetzung der Gesetze zuständig ist das Landratsamt Miesbach. Das Verfahren um die Neuausweisung läuft seit 2012. Seitdem hat der Landkreis immer wieder neue Gutachten in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse: Das Gebiet Reisach-Gotzing-Thalham ist wertvoll für die Trinkwasserversorgung und muss somit geschützt werden. Die alternativen Wassergewinnungsorte   wie beispielsweise die Münchner Schotterebene   reichen nicht aus, um den Wasserbedarf der Landeshauptstadt zu decken. Für Kerkel ist allerdings klar: „Die Stadt München bezieht viel mehr Reserven aus der Quelle als eigentlich benötigt werden.“

Der Verein wünscht sich, dass Miesbachs Landrat Wolfgang Rzhehak mehr hinter den Bürgern steht. Würde er die Argumente der Bauern gegenüber den Stadtwerken vorbringen, ließe sich die Ausweitung der Wasserschutzzone noch verhindern, meint Kerkel. Aus dem Landratsamt heißt es dazu: Es würden zwar immer wieder Argumente ins Feld geführt, die der Erweiterung des Schutzgebiets angeblich entgegenstehen   auch von „Unser Wasser“. Bisher hielten alle diese Argumente einer objektiven rechtlichen und inhaltlichen Prüfung nicht stand. Das Verfahren laufe noch. Ob sich an dieser Einschätzung etwas ändert, werde unter anderem der Erörterungstermin zeigen, so das Landratsamt.

Aktuell prüft der Landkreis Anträge der Anwohner und der betroffenen Gemeinden. Alleine Fuchs’ Antrag umfasst über 50 Seiten. Doch auch ohne Hilfe des Landrats kommt aufgeben für den Verein nicht in Frage. „Verloren haben wir erst, wenn wir uns geschlagen geben   und das werden wir nicht tun“, stellt Kerkel klar. Notfalls klagen Fuchs und seine Mitstreiter auch gegen das Landratsamt.

Gemeinsam statt einsam 

Norbert Kerkel kämpft als Gründungsmitglied von „Unser Wasser“ e.V. an der vordersten Front im Konflikt um das Wasserschutzgebiet. Es sind längst nicht mehr nur die Landwirte, die von der geplanten Ausweitung des Miesbacher Wasserschutzgebietes betroffen sind. Auch die Stadt Miesbach, umliegende Gemeinden sowie einige Privatleute sind die Leidtragenden des Konflikts. Gemeinsam haben sie sich im Verein „Unser Wasser“ e.V. organisiert, um gegen die Stadtwerke München, das Landrats- und Wasserwirtschaftsamt sowie das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) anzukämpfen.

„Alleingelassen wird man bei uns nicht!”, sagt Vorstand und Gründungsmitglied Norbert Kerkel, der von Anfang an dabei ist. „Unsere Aufgabe ist es, die Interessen der einzelnen Betroffenen zu bündeln und gemeinsam gegen die Ausweitung anzukämpfen.” Diese Bündelung hat neben Vergünstigungen   indem sich die Mitglieder beispielsweise die Anwaltskosten untereinander aufteilen   vor allem auch einen moralischen Vorteil: „Es tut gut, sich mit Menschen auszutauschen, die ein gleiches Schicksal erwartet. Schließlich ist für einige von uns die Existenz bedroht.” Das Prinzip geht auf, denn neben dem Bündnis hat der Verein bereits eine Anwaltsgemeinschaft sowie eine Anhörung auf dem Kreistag erreicht.

„Wir wünschen uns, dass der Landrat hinter den Bürgern steht, von denen er schließlich auch in sein Amt gewählt wurde.“ Zurück nach oben

Bauernopfer

Alois Fuchs (44) ist einer von 25 Bauern im Landkreis Miesbach, deren Höfe von der Erweiterung des Wasserschutzgebietes betroffen wären. Fuchs‘ Land liegt zu etwa einem Viertel innerhalb der vorgesehenen Schutzzone IIa. Die Regulierungen dieser Zone sehen vor, dass eine Beweidung des Gebiets nicht generell erlaubt ist. Somit verliert das Gebiet für Fuchs an Nutzen.

Fuchs steht im Nieselregen auf der weitläufigen Wiese. Um ihn herum grasen seine Kühe in aller Gemütlichkeit, während er mit dem Finger Richtung Boden deutet. „Das Wasser muss erst hier 48 Meter sickern, das ist hier Kiesboden, der filtert und dann muss es nochmal über zwei Kilometer laufen, bis es dann in die Reisach fließt. Das ist eine sehr lange Strecke, auf der das Wasser gefiltert wird.“ Warum die Mineralien aus dem Kuh-Kot in solch kleinen Mengen dennoch schädlich sein sollen, kann Fuchs nicht nachvollziehen. „Wenn jeden Tag eine kleine Menge kommt, nimmt der Boden das sofort auf“, sagt er. Am Eingang zu seinem Hof hängt ein Schild des Naturland-Verbands für ökologischen Landbau. Wäre Fuchs kein Bio-Bauer, könnte er auf mineralische Dünger zurückgreifen.

Die zusätzlichen baulichen Auflagen in der Schutzzone verhindern den Bau eines Laufstalls, den Fuchs unbedingt für seinen Hof benötigt, weil sein alter Stall stark sanierungsbedürftig ist. „Die zusätzlichen Auflagen werden zum Teil von den Stadtwerken ergänzt, aber es gibt auch Kosten, die nicht erstattet werden, auch Folgekosten und laufende Kosten“, erklärt Fuchs. „Das ist etwas, das ich überhaupt nicht einsehe.“

Auf seinem Küchentisch hat Fuchs eine Karte des Wasserschutzgebietes ausgebreitet. Ein Gebiet, das ein Hektar größer wäre als sein Jetziges, soll ihm zum Ausgleich angeboten werden. Fünf Kilometer würde dieses Gebiet jedoch von seinem Hof entfernt liegen. Fuchs kritisiert das, wegen des Aufwandes, sein Vieh erst dorthin zu bringen, und wegen des zusätzlichen Fahrwegs für Futter und Dünger. Zudem grenzt das Ausgleichsgebiet an eine Hauptstraße.

Um seiner Meinung eine Stimme zu verleihen, ist Fuchs Mitglied im Vorstand des Vereins „Unser Wasser e.V.“, der sich gegen die Erweiterung des Wasserschutzgebiets einsetzt. Der Verein organisiert Veranstaltungen, um die Bürgerinnen und Bürger vor Ort auf das Problem aufmerksam zu machen.

Als „kleinstrukturierter“ Landwirt sieht er sich klar auf der Seite der Natur. Wasserschutz ist wichtig für Fuchs, das Vorhaben der Münchner Stadtwerke im Wasserschutzgebiet Miesbach kann er trotzdem nicht nachvollziehen. „Man könnte das humaner gegenüber den Betroffenen betreiben, noch dazu, wo das Wasser so gut ist.“ Zurück nach oben

Aufgeben geht nicht

Für Bürgermeisterin Ingrid Pongratz ist der Informationstag auf dem Biogut Wallenburg eine Herzensangelegenheit: „Die Leute müssen für die Problematik sensibilisiert werden und das kann man nur im persönlichen Gespräch.“ Denn von der Ausweitung des Wasserschutzgebiets sind längst nicht nur die Landwirte betroffen. „Jeder Gewerbetreibende und die gesamte Stadt Miesbach muss mit ernsten Konsequenzen rechnen.” Dazu zählen neue Auflagen für Bauprojekte. „Das stellt einen großen Konflikt für uns dar, denn gleichzeitig wird von uns verlangt, dem wachsenden Siedlungsdruck gerecht zu werden.” Für Grundstücke, die als Gewerbegebiet entwickelt werden sollen, liegt glücklicherweise ein rechtskräftiger Flächennutzungsplan vor, den das Landratsamt bereits genehmigt hat.

Bis das laufende Verfahren beendet und ein Urteil gefällt ist, hält die Stadt Miesbach „zusammen wie ein Fels in der Brandung”. In einem Punkt ist sich Pongratz sicher: Wenn die Ausweitung des Wasserschutzgebiets wirklich durchgesetzt werden würde, bliebe der Stadt Miesbach noch immer die Option, gemeinsam eine Klage einzureichen. „Aufgeben geht nicht. Wir wollen der Landeshauptstadt München ja nicht das Wasser wegnehmen. Wir wollen nur verhindern, dass wir so große Einschränkungen haben, dass unsere Entwicklungsmöglichkeiten dermaßen gehemmt werden.“ Zurück nach oben